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Jahresmagazin 2004/05 - Frankfurt am Main - Nabel der Moderne
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Koch</i><p> »Frankfurt aber ist der Nabel dieser Erde.« Kein Geringerer als Friedrich Hölderlin formulierte diesen hochfliegenden Satz. Vielleicht kam ihm die Stadt am Main als Bestandteil eines Dreiecks Tübingen-Frankfurt-Bordeaux vor, womöglich sogar als eine Art archimedischer Punkt, von dem aus der Unbehauste seine Existenz hätte regulieren können.<br> Doch eines immerhin lässt sich sagen: Über die geographisch zentrale Lage hinaus ist Frankfurt stets ein stabiler Faktor der Offenheit gewesen. Denn weder gab es besondere feudale oder klerikale, auch militärische Traditionen noch eine sonderlich hermetische bürgerliche Gesellschaft. Die Handelsund Messestadt stand von jeher für den Waren-, aber auch Gedankenaustausch, Liberalität der verschiedensten Art.<p> Fremdes wurde von vornherein eher akzeptiert als abgewehrt. Dabei hat die Dominanz der Merkantilen, nicht zuletzt der Banken, den Ruf beschert, mehr die Stadt Merkurs als die der Musen zu sein. Schon Mozart beklagte die Knickrigkeit, hatte sich zumindest mehr versprochen. In den süddeutsch-katholisch- barocken Residenzen, etwa München oder Wien, ging es in mancher Hinsicht großzügiger zu, allerdings eher im obligat konservativen Sinn von Tradition und Repräsentation.<p> Frankfurt hingegen war mehr ein Ort der Moderne. Richard Strauss' <i>Also sprach Zarathustra</i> wurde, damals noch ungewohnt, in den Museumskonzerten uraufgeführt, und in der Oper wurden gleich vier Werke des damaligen Erfolgskomponisten Schreker kreiert, ebenso Werke Zemlinskys, Hindemiths, Schönbergs und Antheils <i>Transatlantic</i>. Bartók spielte die Uraufführungen seines ersten (1926) und zweiten (Januar 1933!) Klavierkonzerts. Und wenn Schönberg meinte, die eigentliche Uraufführung seiner <i>Orchestervariationen op. 31</i> habe nicht in Berlin 1928 unter Furtwängler, sondern 1930 in Frankfurt unter Rosbaud stattgefunden, dann sagt dies einiges über die Ernsthaftigkeit, mit der am Main die musikalische Moderne verfochten wurde.<br> Auch dass wichtige französische Novitäten bald in Frankfurt gespielt wurden, belegt, dass nationale Feindbilder hier eine geringere Rolle spielten als andernorts.<p> Nach 1945 wurde der Großraum Frankfurt in ganz anderer Weise zu einer Art Nabel der Avantgarde. Im benachbarten Darmstadt entstanden die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik. Hier präsentierte Olivier Messiaen seine Klavieretüde <i>Mode de valeurs et d’intensités</i>, Keimzelle der Seriellen Musik. Seitdem galt Darmstadt fast nach Art eines Synonyms als Mekka musikalischer Moderne. Die Kirchenväter-Einigkeit des Trios Boulez, Stockhausen, Nono – als vierter kam noch Henri Pousseur hinzu – wurde sicher ebenso überschätzt wie der normative Druck der »Darmstädter Schule«, die gar so monolithisch nicht war. Aber »Darmstadt« galt eine zeitlang weltweit als Stilzentrum. Analog gab es in Frankfurt Theodor W. Adorno.<p> Zwar war er der maßgebliche Theoretiker der Schönberg-Schule, wurde bald zur ästhetischen Instanz für viele auf Darmstadt fixierte jüngere Musiker. Aber als Verfechter eines dogmatischen Reihen-Denkens selbstläuferischer Material-Systematik kann man ihn wirklich nicht bezeichnen. Hinzu kam der Frankfurter Hessische Rundfunk: Mit seiner Konzertreihe für Neue Musik – die 1969 von den »Weekend«-Konzerten abgelöst wurde und seit 1989 in der Reihe »Forum Neue Musik« fortbesteht – sowie der wöchentlichen Rundfunksendung »Studio für Neue Musik« war er ein wichtiger Motor musikalischer Moderne. Und auch die Musikhochschule öffnete sich, wenngleich anfangs zögerlich, den neuen tönenden Welten.<p> Doch ausgerechnet die siebziger Jahre brachten einen gewissen roll back. Die Musica-Viva-Reihe des hr im alten Theater am Turm begann zu lahmen. Und unter dem Chefdirigenten Eliahu Inbal spielte das hr-Orchester immer mehr ehrgeizig opulente Bruckner-, Mahler- und Berlioz-Zyklen. Vollends mit der Eröffnung des Konzerthauses Alte Oper wuchs die Befürchtung, auch Frankfurt würde zur Stadt traditioneller Repräsentations-Hochkultur; zumal in den Star- und Galakonzerten vermehrt die Betuchteren aus den Taunusorten sich zeigten, denen man vorher in Frankfurter Konzerten kaum je begegnet war. Dass diese Besorgnis sich nur bedingt bestätigte, lag vor allem an Dieter Rexroth, der von der Direktion der Alten Oper einigermaßen freie Hand bei der Programmierung der »Frankfurt Feste« erhielt. Rexroth sah die Chance, Frankfurt wieder zu einem Zentrum musikalischer Moderne zu machen und nutzte sie. Geld spielte damals noch keine Rolle, zumindest nicht als Mangelware. Und so konnte Rexroth großzügig operieren, komplexe Programme erstellen, Kompositionsaufträge vergeben. Es gab grandiose Jahrgänge mit berückenden Webern-, Henze-, Kagel-, Nono-, Rihmoder Stockhausen-Schwerpunkten. Bisweilen wirkte etwa das Musikprogramm der Berliner Festwochen im Hinblick auf die Moderne geradezu »provinziell« ärmlich im Vergleich mit den »Frankfurt Festen«. Dass diese eingestellt wurden, hatte sicher viele Gründe. Aber immerhin hat das jährlich ebenfalls im Herbst stattfindende »Auftakt«-Festival die Impulse des Vorgängers wieder ganz erheblich aktiviert.<p> Natürlich hat es in Frankfurt stets auch eine heilsame Konkurrenz der Institutionen gegeben. Und Michael Gielen, einer der großen Pioniere der Moderne, setzte gleich in seiner ersten Spielzeit mit der Deutschen Erstaufführung von Nonos <i>Al gran sole</i> einen überaus nachhaltigen Akzent. Ihm folgte die Uraufführung von Hans Zenders <i>Stephen Climax</i>.<p> Die kurze Ära Gary Bertini mag in mancher Hinsicht nicht sonderlich glücklich gewesen sein; erbracht hat sie aber auf jeden Fall die Uraufführung von John Cages epochalem Huldigungs-Schwanengesang auf vier Jahrhunderte Operngeschichte: <i>Europeras</i>. Ebenfalls lebhaft in Erinnerung geblieben ist ein fulminanter Holliger-Beckett-Abend in Peter Mussbachs Regie im Kammerspiel.<p> Gleichwohl, ein grundsätzliches Unbehagen blieb: Die Großinstitutionen, ob hr, Oper, Museumsorchester oder Musikhochschule waren nun einmal schwerfällige, in ihrem strukturellen Beharrungsvermögen auch inhaltlich konservative Apparate – nicht nur ästhetisch auf Öffnung bedachten Künstlern alles andere als geheuer. »Demokratisierung« war nicht zuletzt ein Hauptprogrammpunkt der Achtundsechziger. Ob Ordinarienuniversität, Intendanten und »Generalmusikdirektoren« – was für ein einschüchternd klingender Titel: Für die dem antiautoritären Elan verpflichteten Künstler waren dies institutionalisierte rote Tücher. Und nicht zufällig wurde gerade in Frankfurt, Stadt der Banken wie der Linken, das Prinzip »Mitbestimmung« wohl am radikalsten befolgt, hauptsächlich am Schauspiel. Die Experimente und Stürme, Höhen und Tiefen dieser Phase mögen Historie sein; doch allzu bereitwillig wurde das »Scheitern« dieses exemplarischen Reformmodells ausgerufen. Denn für nicht eben wenige Musiker, hauptsächlich aus der in Frankfurt beheimateten Jungen Deutschen Philharmonie, war dieser Versuch noch keineswegs abgeschlossen, zumindest nicht schon wieder von vornherein zum Misslingen verurteilt.<p> Die Gründung des Ensemble Modern 1980 ist ganz im Gegenteil ein bis heute vielfältig Staunen erregendes Beispiel künstlerischer Kooperation geblieben: wie man Kunst auf höchstem Niveau durchaus ohne autokratische Chefs, gar »Führer«-Persönlichkeiten machen kann, die je nach ihrem mehr oder minder begrenzten künstlerischen Gusto oder Selbstdarstellungstrieb entscheiden, was und wie gespielt zu werden hat. Und Mitbestimmung heißt ja gerade nicht »Kollektivierung « im Sinne abermaliger (Mit-)Sprachlosigkeit der einzelnen, sondern: gemeinsame Verantwortung für Programm wie Interpretation. Das mag nicht immer nur reibungslos funktionieren; bis jetzt aber hat sich das Prinzip bewährt.<p> Und mit der Gründung des Ensemble Modern Orchestra ist noch eine weitere Dimension – ästhetisch wie organisatorisch – musikalischer Avantgarde-Operationen hinzu gekommen. Der Aktionsradius hat sich in mehrfacher Weise vergrößert – ohne dass darüber ein weiterer Kulturbetriebsgroßtanker entstanden wäre.<p> Vor allem aber hat es das Ensemble Modern verstanden, dogmatischen Engpässen auszuweichen. Natürlich wird es immer eine Gratwanderung bleiben: eine Ästhetik eigener Wahl stringent zu entwickeln, ohne in Orthodoxie zu erstarren – stilistische Vielseitigkeit zu wahren, ohne in tutti-frutti-Beliebigkeit zu verfallen. Immerhin gelingt es dem Ensemble Modern, zwischen Weill, Zappa, Rihm, Reich und Karassikov abwechslungsreich zu operieren, ohne dass man den Eindruck hätte, die Mitglieder würden dies mit ständigem schlechtem Gewissen gegenüber dieser oder jener ästhetischen Über-Ich-Autorität absolvieren. Zudem ist die Gruppe lange aus dem Korsett nicht weniger Avantgarde-Seriositäts- Gralshüter herausgesprungen, die da meinten, »Neue Musik« könne gar nicht pokerfacehaft perfekt genug als »absolute« Struktur-Kunst serviert werden.<p> Wer die Frankfurter Formation etwa in einigen Werken von Heiner Goebbels erlebt hat, weiß, wie selbstverständlich sie mittlerweile den Parameter »Theater« gleichberechtigt zur peniblen Wiedergabe komplexester Partituren beherrscht und eigene Bühnenimpulse einbringt. Doch nicht nur das: Das Ensemble Modern hat nicht allein die Vergrößerung zum Orchester, sondern auch Abspaltungen wie Ableger personeller, ästhetischer und organisatorischer Art angeregt: so das ensemble phormix, das eine Reihe von Konzerten im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst gibt – oder die Initiative »shape – Konzerte für Neue Musik e.V.« mit ihren »Konzertlabor« – Veranstaltungen in Offenbach.<p> Und im »raum für kultur« der Dresdner Bank präsentiert die Frankfurter Gesellschaft für Neue Musik »Frequenzen«, anspruchsvolle Programme wechselnder Formationen. Je mehr die Großinstitutionen – meist sicher zu recht – über immer mangelhaftere Subventionierung klagen, umso mehr suchen in gewiss sehr verschiedenartiger Weise organisierte alternative Musikergruppen ihre Chancen. Und sie scheinen sie auch zu finden. Seit bald zwei Jahrzehnten ist das Ensemble Modern in Frankfurt ansässig. Und immer noch hat es Vorbildcharakter, der weiter ausstrahlt.<p> <a href="javascript:history.back();"><b>zurück / back</b></a> </td></tr></table> <img src="/web/20070927020255im_/http://www.ensemble-modern.com/pix/leer.gif" height="20" width="1" alt="" border="0"><br> </body></html> <!-- FILE ARCHIVED ON 02:02:55 Sep 27, 2007 AND RETRIEVED FROM THE INTERNET ARCHIVE ON 09:27:57 Nov 24, 2024. JAVASCRIPT APPENDED BY WAYBACK MACHINE, COPYRIGHT INTERNET ARCHIVE. ALL OTHER CONTENT MAY ALSO BE PROTECTED BY COPYRIGHT (17 U.S.C. SECTION 108(a)(3)). --> <!-- playback timings (ms): captures_list: 0.614 exclusion.robots: 0.039 exclusion.robots.policy: 0.024 esindex: 0.013 cdx.remote: 18.098 LoadShardBlock: 160.58 (3) PetaboxLoader3.datanode: 105.211 (4) load_resource: 126.49 PetaboxLoader3.resolve: 65.031 -->