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Jahresmagazin 2004/05 - Frankfurt am Main - Nabel der Moderne

<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 4.01 Transitional//EN"> <html> <head><script type="text/javascript" src="/_static/js/bundle-playback.js?v=HxkREWBo" charset="utf-8"></script> <script type="text/javascript" src="/_static/js/wombat.js?v=txqj7nKC" charset="utf-8"></script> <script>window.RufflePlayer=window.RufflePlayer||{};window.RufflePlayer.config={"autoplay":"on","unmuteOverlay":"hidden"};</script> <script type="text/javascript" src="/_static/js/ruffle/ruffle.js"></script> <script type="text/javascript"> __wm.init("https://web.archive.org/web"); __wm.wombat("http://www.ensemble-modern.com/magazin3/04_ffm.htm","20070927020255","https://web.archive.org/","web","/_static/", "1190858575"); </script> <link rel="stylesheet" type="text/css" href="/_static/css/banner-styles.css?v=S1zqJCYt" /> <link rel="stylesheet" type="text/css" href="/_static/css/iconochive.css?v=3PDvdIFv" /> <!-- End Wayback Rewrite JS Include --> <title>Jahresmagazin 2004/05 - Frankfurt am Main - Nabel der Moderne</title> <link rel="stylesheet" type="text/css" href="/web/20070927020255cs_/http://www.ensemble-modern.com/magazin3/style.css"> </head> <body leftmargin="0" topmargin="0" marginwidth="0" marginheight="0" bgcolor="#ffffff" text="#000000" vlink="#000000" alink="#000000" link="#000000"> <img src="/web/20070927020255im_/http://www.ensemble-modern.com/pix/leer.gif" height="25" width="1" alt="" border="0"><br> <table width="500" align="center" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0"><tr> <td> <b class="invers">Jahresmagazin 2004/05</b><p> <h1 class="rot">Frankfurt am Main - Nabel der Moderne</h1> <i>von Gerhard R. Koch</i><p> &raquo;Frankfurt aber ist der Nabel dieser Erde.&laquo; Kein Geringerer als Friedrich H&ouml;lderlin formulierte diesen hochfliegenden Satz. Vielleicht kam ihm die Stadt am Main als Bestandteil eines Dreiecks T&uuml;bingen-Frankfurt-Bordeaux vor, wom&ouml;glich sogar als eine Art archimedischer Punkt, von dem aus der Unbehauste seine Existenz h&auml;tte regulieren k&ouml;nnen.<br> Doch eines immerhin l&auml;sst sich sagen: &Uuml;ber die geographisch zentrale Lage hinaus ist Frankfurt stets ein stabiler Faktor der Offenheit gewesen. Denn weder gab es besondere feudale oder klerikale, auch milit&auml;rische Traditionen noch eine sonderlich hermetische b&uuml;rgerliche Gesellschaft. Die Handelsund Messestadt stand von jeher f&uuml;r den Waren-, aber auch Gedankenaustausch, Liberalit&auml;t der verschiedensten Art.<p> Fremdes wurde von vornherein eher akzeptiert als abgewehrt. Dabei hat die Dominanz der Merkantilen, nicht zuletzt der Banken, den Ruf beschert, mehr die Stadt Merkurs als die der Musen zu sein. Schon Mozart beklagte die Knickrigkeit, hatte sich zumindest mehr versprochen. In den s&uuml;ddeutsch-katholisch- barocken Residenzen, etwa M&uuml;nchen oder Wien, ging es in mancher Hinsicht gro&szlig;z&uuml;giger zu, allerdings eher im obligat konservativen Sinn von Tradition und Repr&auml;sentation.<p> Frankfurt hingegen war mehr ein Ort der Moderne. Richard Strauss' <i>Also sprach Zarathustra</i> wurde, damals noch ungewohnt, in den Museumskonzerten uraufgef&uuml;hrt, und in der Oper wurden gleich vier Werke des damaligen Erfolgskomponisten Schreker kreiert, ebenso Werke Zemlinskys, Hindemiths, Sch&ouml;nbergs und Antheils <i>Transatlantic</i>. Bart&oacute;k spielte die Urauff&uuml;hrungen seines ersten (1926) und zweiten (Januar 1933!) Klavierkonzerts. Und wenn Sch&ouml;nberg meinte, die eigentliche Urauff&uuml;hrung seiner <i>Orchestervariationen op. 31</i> habe nicht in Berlin 1928 unter Furtw&auml;ngler, sondern 1930 in Frankfurt unter Rosbaud stattgefunden, dann sagt dies einiges &uuml;ber die Ernsthaftigkeit, mit der am Main die musikalische Moderne verfochten wurde.<br> Auch dass wichtige franz&ouml;sische Novit&auml;ten bald in Frankfurt gespielt wurden, belegt, dass nationale Feindbilder hier eine geringere Rolle spielten als andernorts.<p> Nach 1945 wurde der Gro&szlig;raum Frankfurt in ganz anderer Weise zu einer Art Nabel der Avantgarde. Im benachbarten Darmstadt entstanden die Internationalen Ferienkurse f&uuml;r Neue Musik. Hier pr&auml;sentierte Olivier Messiaen seine Klavieret&uuml;de <i>Mode de valeurs et d&rsquo;intensit&eacute;s</i>, Keimzelle der Seriellen Musik. Seitdem galt Darmstadt fast nach Art eines Synonyms als Mekka musikalischer Moderne. Die Kirchenv&auml;ter-Einigkeit des Trios Boulez, Stockhausen, Nono &ndash; als vierter kam noch Henri Pousseur hinzu &ndash; wurde sicher ebenso &uuml;bersch&auml;tzt wie der normative Druck der &raquo;Darmst&auml;dter Schule&laquo;, die gar so monolithisch nicht war. Aber &raquo;Darmstadt&laquo; galt eine zeitlang weltweit als Stilzentrum. Analog gab es in Frankfurt Theodor W. Adorno.<p> Zwar war er der ma&szlig;gebliche Theoretiker der Sch&ouml;nberg-Schule, wurde bald zur &auml;sthetischen Instanz f&uuml;r viele auf Darmstadt fixierte j&uuml;ngere Musiker. Aber als Verfechter eines dogmatischen Reihen-Denkens selbstl&auml;uferischer Material-Systematik kann man ihn wirklich nicht bezeichnen. Hinzu kam der Frankfurter Hessische Rundfunk: Mit seiner Konzertreihe f&uuml;r Neue Musik &ndash; die 1969 von den &raquo;Weekend&laquo;-Konzerten abgel&ouml;st wurde und seit 1989 in der Reihe &raquo;Forum Neue Musik&laquo; fortbesteht &ndash; sowie der w&ouml;chentlichen Rundfunksendung &raquo;Studio f&uuml;r Neue Musik&laquo; war er ein wichtiger Motor musikalischer Moderne. Und auch die Musikhochschule &ouml;ffnete sich, wenngleich anfangs z&ouml;gerlich, den neuen t&ouml;nenden Welten.<p> Doch ausgerechnet die siebziger Jahre brachten einen gewissen roll back. Die Musica-Viva-Reihe des hr im alten Theater am Turm begann zu lahmen. Und unter dem Chefdirigenten Eliahu Inbal spielte das hr-Orchester immer mehr ehrgeizig opulente Bruckner-, Mahler- und Berlioz-Zyklen. Vollends mit der Er&ouml;ffnung des Konzerthauses Alte Oper wuchs die Bef&uuml;rchtung, auch Frankfurt w&uuml;rde zur Stadt traditioneller Repr&auml;sentations-Hochkultur; zumal in den Star- und Galakonzerten vermehrt die Betuchteren aus den Taunusorten sich zeigten, denen man vorher in Frankfurter Konzerten kaum je begegnet war. Dass diese Besorgnis sich nur bedingt best&auml;tigte, lag vor allem an Dieter Rexroth, der von der Direktion der Alten Oper einigerma&szlig;en freie Hand bei der Programmierung der &raquo;Frankfurt Feste&laquo; erhielt. Rexroth sah die Chance, Frankfurt wieder zu einem Zentrum musikalischer Moderne zu machen und nutzte sie. Geld spielte damals noch keine Rolle, zumindest nicht als Mangelware. Und so konnte Rexroth gro&szlig;z&uuml;gig operieren, komplexe Programme erstellen, Kompositionsauftr&auml;ge vergeben. Es gab grandiose Jahrg&auml;nge mit ber&uuml;ckenden Webern-, Henze-, Kagel-, Nono-, Rihmoder Stockhausen-Schwerpunkten. Bisweilen wirkte etwa das Musikprogramm der Berliner Festwochen im Hinblick auf die Moderne geradezu &raquo;provinziell&laquo; &auml;rmlich im Vergleich mit den &raquo;Frankfurt Festen&laquo;. Dass diese eingestellt wurden, hatte sicher viele Gr&uuml;nde. Aber immerhin hat das j&auml;hrlich ebenfalls im Herbst stattfindende &raquo;Auftakt&laquo;-Festival die Impulse des Vorg&auml;ngers wieder ganz erheblich aktiviert.<p> Nat&uuml;rlich hat es in Frankfurt stets auch eine heilsame Konkurrenz der Institutionen gegeben. Und Michael Gielen, einer der gro&szlig;en Pioniere der Moderne, setzte gleich in seiner ersten Spielzeit mit der Deutschen Erstauff&uuml;hrung von Nonos <i>Al gran sole</i> einen &uuml;beraus nachhaltigen Akzent. Ihm folgte die Urauff&uuml;hrung von Hans Zenders <i>Stephen Climax</i>.<p> Die kurze &Auml;ra Gary Bertini mag in mancher Hinsicht nicht sonderlich gl&uuml;cklich gewesen sein; erbracht hat sie aber auf jeden Fall die Urauff&uuml;hrung von John Cages epochalem Huldigungs-Schwanengesang auf vier Jahrhunderte Operngeschichte: <i>Europeras</i>. Ebenfalls lebhaft in Erinnerung geblieben ist ein fulminanter Holliger-Beckett-Abend in Peter Mussbachs Regie im Kammerspiel.<p> Gleichwohl, ein grunds&auml;tzliches Unbehagen blieb: Die Gro&szlig;institutionen, ob hr, Oper, Museumsorchester oder Musikhochschule waren nun einmal schwerf&auml;llige, in ihrem strukturellen Beharrungsverm&ouml;gen auch inhaltlich konservative Apparate &ndash; nicht nur &auml;sthetisch auf &Ouml;ffnung bedachten K&uuml;nstlern alles andere als geheuer. &raquo;Demokratisierung&laquo; war nicht zuletzt ein Hauptprogrammpunkt der Achtundsechziger. Ob Ordinarienuniversit&auml;t, Intendanten und &raquo;Generalmusikdirektoren&laquo; &ndash; was f&uuml;r ein einsch&uuml;chternd klingender Titel: F&uuml;r die dem antiautorit&auml;ren Elan verpflichteten K&uuml;nstler waren dies institutionalisierte rote T&uuml;cher. Und nicht zuf&auml;llig wurde gerade in Frankfurt, Stadt der Banken wie der Linken, das Prinzip &raquo;Mitbestimmung&laquo; wohl am radikalsten befolgt, haupts&auml;chlich am Schauspiel. Die Experimente und St&uuml;rme, H&ouml;hen und Tiefen dieser Phase m&ouml;gen Historie sein; doch allzu bereitwillig wurde das &raquo;Scheitern&laquo; dieses exemplarischen Reformmodells ausgerufen. Denn f&uuml;r nicht eben wenige Musiker, haupts&auml;chlich aus der in Frankfurt beheimateten Jungen Deutschen Philharmonie, war dieser Versuch noch keineswegs abgeschlossen, zumindest nicht schon wieder von vornherein zum Misslingen verurteilt.<p> Die Gr&uuml;ndung des Ensemble Modern 1980 ist ganz im Gegenteil ein bis heute vielf&auml;ltig Staunen erregendes Beispiel k&uuml;nstlerischer Kooperation geblieben: wie man Kunst auf h&ouml;chstem Niveau durchaus ohne autokratische Chefs, gar &raquo;F&uuml;hrer&laquo;-Pers&ouml;nlichkeiten machen kann, die je nach ihrem mehr oder minder begrenzten k&uuml;nstlerischen Gusto oder Selbstdarstellungstrieb entscheiden, was und wie gespielt zu werden hat. Und Mitbestimmung hei&szlig;t ja gerade nicht &raquo;Kollektivierung &laquo; im Sinne abermaliger (Mit-)Sprachlosigkeit der einzelnen, sondern: gemeinsame Verantwortung f&uuml;r Programm wie Interpretation. Das mag nicht immer nur reibungslos funktionieren; bis jetzt aber hat sich das Prinzip bew&auml;hrt.<p> Und mit der Gr&uuml;ndung des Ensemble Modern Orchestra ist noch eine weitere Dimension &ndash; &auml;sthetisch wie organisatorisch &ndash; musikalischer Avantgarde-Operationen hinzu gekommen. Der Aktionsradius hat sich in mehrfacher Weise vergr&ouml;&szlig;ert &ndash; ohne dass dar&uuml;ber ein weiterer Kulturbetriebsgro&szlig;tanker entstanden w&auml;re.<p> Vor allem aber hat es das Ensemble Modern verstanden, dogmatischen Engp&auml;ssen auszuweichen. Nat&uuml;rlich wird es immer eine Gratwanderung bleiben: eine &Auml;sthetik eigener Wahl stringent zu entwickeln, ohne in Orthodoxie zu erstarren &ndash; stilistische Vielseitigkeit zu wahren, ohne in tutti-frutti-Beliebigkeit zu verfallen. Immerhin gelingt es dem Ensemble Modern, zwischen Weill, Zappa, Rihm, Reich und Karassikov abwechslungsreich zu operieren, ohne dass man den Eindruck h&auml;tte, die Mitglieder w&uuml;rden dies mit st&auml;ndigem schlechtem Gewissen gegen&uuml;ber dieser oder jener &auml;sthetischen &Uuml;ber-Ich-Autorit&auml;t absolvieren. Zudem ist die Gruppe lange aus dem Korsett nicht weniger Avantgarde-Seriosit&auml;ts- Gralsh&uuml;ter herausgesprungen, die da meinten, &raquo;Neue Musik&laquo; k&ouml;nne gar nicht pokerfacehaft perfekt genug als &raquo;absolute&laquo; Struktur-Kunst serviert werden.<p> Wer die Frankfurter Formation etwa in einigen Werken von Heiner Goebbels erlebt hat, wei&szlig;, wie selbstverst&auml;ndlich sie mittlerweile den Parameter &raquo;Theater&laquo; gleichberechtigt zur peniblen Wiedergabe komplexester Partituren beherrscht und eigene B&uuml;hnenimpulse einbringt. Doch nicht nur das: Das Ensemble Modern hat nicht allein die Vergr&ouml;&szlig;erung zum Orchester, sondern auch Abspaltungen wie Ableger personeller, &auml;sthetischer und organisatorischer Art angeregt: so das ensemble phormix, das eine Reihe von Konzerten im Frankfurter Museum f&uuml;r Angewandte Kunst gibt &ndash; oder die Initiative &raquo;shape &ndash; Konzerte f&uuml;r Neue Musik e.V.&laquo; mit ihren &raquo;Konzertlabor&laquo; &ndash; Veranstaltungen in Offenbach.<p> Und im &raquo;raum f&uuml;r kultur&laquo; der Dresdner Bank pr&auml;sentiert die Frankfurter Gesellschaft f&uuml;r Neue Musik &raquo;Frequenzen&laquo;, anspruchsvolle Programme wechselnder Formationen. Je mehr die Gro&szlig;institutionen &ndash; meist sicher zu recht &ndash; &uuml;ber immer mangelhaftere Subventionierung klagen, umso mehr suchen in gewiss sehr verschiedenartiger Weise organisierte alternative Musikergruppen ihre Chancen. Und sie scheinen sie auch zu finden. Seit bald zwei Jahrzehnten ist das Ensemble Modern in Frankfurt ans&auml;ssig. Und immer noch hat es Vorbildcharakter, der weiter ausstrahlt.<p> <a href="javascript:history.back();"><b>zur&uuml;ck / back</b></a> </td></tr></table> <img src="/web/20070927020255im_/http://www.ensemble-modern.com/pix/leer.gif" height="20" width="1" alt="" border="0"><br> </body></html> <!-- FILE ARCHIVED ON 02:02:55 Sep 27, 2007 AND RETRIEVED FROM THE INTERNET ARCHIVE ON 09:27:57 Nov 24, 2024. JAVASCRIPT APPENDED BY WAYBACK MACHINE, COPYRIGHT INTERNET ARCHIVE. ALL OTHER CONTENT MAY ALSO BE PROTECTED BY COPYRIGHT (17 U.S.C. SECTION 108(a)(3)). --> <!-- playback timings (ms): captures_list: 0.614 exclusion.robots: 0.039 exclusion.robots.policy: 0.024 esindex: 0.013 cdx.remote: 18.098 LoadShardBlock: 160.58 (3) PetaboxLoader3.datanode: 105.211 (4) load_resource: 126.49 PetaboxLoader3.resolve: 65.031 -->